Mit Verzweiflung umgehen

Aus meinem Alltag: Leben mit Funksensibilität

Ich weiß nicht wie oft du schon in deinem Leben verzweifelt warst, ich war es schon sehr oft. Vorallem die letzten Jahre meines extremen Wandlungsprozesses waren kaum beschreibbar und voller unschöner Überraschungen.

Das aufkommende Gefühl der Verzweiflung und des Nicht-weiter-wissens kenn ich gut, es löst innerlich Reaktionsketten aus. Dieser permanente Gedankenloop ist sehr belastend: Was mach ich jetzt? Was mach ich jetzt nur? Ich muss doch jetzt irgendetwas machen können!

Verzweifelt zu sein ist menschlich und lässt sich primär auch gar nicht vermeiden. Wichtig ist die Frage, wie so oft: Wie gehe ich damit um?

Statt in planlose Aktionen zu gehen und Unmengen an Energie und Emotionen im Panikmodus auszuströmen, versuche ich mich nach den ersten Stressmomenten wieder zusammenzureißen. Es etwas weniger dramatisch und emotional zu sehen. Ich negiere das Problem nicht, ich spiele es auch nicht herunter – aber ich übe mich in Geduld und Vertrauen, dass erstens: Alles (s)einen Sinn hat und zweitens: Sich eine Lösung finden wird. Die Frage ist dann nur noch: Wann?!

Das bedeutet zunächst, diese furchtbare Situation aushalten zu können, das Warten anzunehmen und mir das JETZT so angenehm wie möglich zu gestalten. Was auch bedeutet, meine Komfortzone gezwungenermaßen zu verlassen.

Mit Funksensibilität in einem Mietshaus zu wohnen ist für mich zum verzweifeln

Nicht nur, dass der Alltag anstrengend ist mit anderen Menschen, auch ein Urlaub in einer Ferienwohnung oder im Hotel ist für mich nicht mehr drin. Ich fühle mich sehr eingeschränkt, denn es gibt außer dem Wald keine Plätze mehr in denen ich frei von Funksignalen bin. Kein fröhliches Beisammensein bei Konzert, Kabarett oder Fortbildung. Das bezahlte Weihnachtskonzert konnte ich nicht genießen, die Kirche musste ich nach 30 Minuten verlassen – es waren zuviele Handys an und leider direkt neben der Kirche auch ein Funkmast. Eigentlich ist mir oft zum Heulen zumute, denn unter diesen erschwerten Bedingungen ist ein Sozialleben gar nicht mehr möglich. Und nicht mal ins Kloster kann ich noch gehen für einen Meditationskurs. Sogar im Kloster und in der Kirche braucht man jetzt unbedingt WLAN oder bietet Hotspots an. 😐😥

Momentan kann ich meine Situation nicht wegzaubern, ich kann nur das Beste daraus machen.

Zuhause blieb mir nichts anderes übrig als mir eine Art Höhle zu bauen im Kopfbereich meines Bettes und drum herum provisorisch abzuschirmen. Es sieht unmöglich aus aber für einen teuren Baldachin konnte ich mich bisher noch nicht entscheiden. Wird aber wohl meine nächste Anschaffung werden wenn ich keine bessere Wohnung finde.

Mittlerweile ist der Wohnraum stark mobilfunkbelastet, was für mich bedeutet, dass ich sehr oft früh abends fix und fertig bin und in meine „Höhle“ muss. Ich benötige mindestens 10 Stunden zur körperlichen Regeneration, damit ich einigermaßen okay morgens den Tag starten kann.

Ich war oft schon enttäuscht und wütend vom/auf das Leben und viele meiner Symptome hingen schon damals mit der Hochsensibilität zusammen – ohne es zu wissen. Auch habe ich noch überhaupt keine Ahnung, wie ich wieder in einem Büro stundenlang arbeiten soll mit so einer Belastungsschwäche. Denn die Sensibilität wird immer schlimmer oder ich immer feinfühliger.

Bei einer diagnostizierten Krankheit bekäme man vielleicht noch Mitgefühl, Verständnis, Frührente oder zumindest würde man geschont werden von der Familie, Kollegen. Aber ich brauche das was ich ‚habe‘ ja noch nicht einmal ansprechen im Job…Privat rede ich darüber, denn ich hatte schon einige interessierte Gesprächspartner denen ich durch Aufklärung weiterhelfen konnte.

Bestimmte Foren für Elektrohochsensible sind voll mit verzweifelten Menschen, denn ein normaler Alltag ist nicht mehr lebbar. Und so ist es auch in vielen anderen Bereichen, z. B. aktuell in Foren für Impfgeschädigte. Wer sich damit schon mal beschäftigt hat, versteht, wie unglaublich groß die Verzweiflung von jungen Frauen und Männern ist, die nun auf Hilfe im Alltag angewiesen sind. Von vielen Selbstmordversuchen wird ebenfalls berichtet – nur nicht offiziell in den Hauptmedien.

Verzweifelte Menschen gibt es immer und überall – nur wir bekommen sie meist gar nicht zu sehen.

Hilfe kommt – wenn auch zeitverzögert

Fakt ist, dass, seit die Funkbelastung stärker wurde in meinem Wohnraum, die Mieterin über mir immer seltener zuhause ist und mittlerweile gar nicht mehr. Was für ein Glück für mich! Vermutlich ist sie temporär zu ihrem Freund gezogen um wenigstens in einer Wohnung Heizung zu sparen 😉 Das spüre ich, denn nun ist es bei mir kälter aber das ist das kleinere Übel! Wenn beide Nachbarn da sind und es aus allen Ecken funkt wird es unerträglich. Dann muss ich tatsächlich aus der Wohnung fliehen. Was war ich schon stundenlang mit dem Auto auf einem Parkplatz gestanden oder auf Zwangsspaziergang im Wald….

Die Nachbarn haben Nachts sowieso Handy’s, WLAN und Schnurlostelefon im aktiven Modus, was mir trotz Höhle schlechten Schlaf beschert. Manchmal schläft der Untermieter scheinbar auf der Couch im Wohnzimmer, das ist dann auch spürbar. Praktisch für mich und praktisch für ihn – denn als Kettenraucher schläft er gerne direkt neben der Terrassentür 😉

Was ich damit andeuten möchte…es wird uns schon auch geholfen um eine schlimme Situation irgendwie aushaltbar zu machen – auch wenn man anfangs fast daran verzweifelt. Ich glaube schon, dass uns gute Kräfte beistehen und helfen wenn es nötig wird.

Ich glaube auch, es ist sehr wichtig die Situation erstmal als gegeben annehmen zu können. Das sagt sich so einfach! Stimmt. Der Leidensdruck ist ja nicht umsonst unendlich groß. Umso wichtiger ist es auf sich selbst zu hören! Was brauche ich jetzt? Was tut mir gut? Wie kann ich es irgendwie erträglicher machen? Wen könnte ich um Hilfe fragen? Wo gibt es Anlaufstellen und Menschen, die mich verstehen können?

Schlimmer geht’s immer!

Wir haben z. B. keine Smartmeter für Strom- / Heizungsablesung im Haus weil wir eine kleine Einheit sind. Was für ein Glück! Ich weiß von einer Dame, die solche digitalen Funkgeräte nun in der Wohnung und gesundheitliche Probleme damit hat. Gegen die Anbringung kann sich ein Mieter auch nicht zur Wehr setzen. Auch sie wollte nicht verzweifeln und versuchte das Ding mit Alufolie abzuschirmen – mit Erfolg! Es war so erfolgreich, dass sich kurz darauf der Kundenservice meldete, dass sie vorbeikommen müssten weil etwas mit dem neuen Gerät nicht stimmen würde 😏. Aber das bringt nur teilweise Linderung wenn alle anderen Nachbarn ihre Funkeinheiten nicht abschirmen.

Ein anderes Ehepaar hatte neue Mieter im Eigenheim, die einen Telekom-Hotspot über ihren Router aktiviert bekamen. Das Ehepaar bekam urplötzlich massive, gesundheitliche Beschwerden ohne zu wissen was los war. Nun sind sie seit dem Vorfall funkhochsensibel! Ihre obere Wohnung können sie nun nur noch an EHS-Mietinteressenten vermieten – und das erweist sich als eine langwierige Suche. Für mich ist die Wohnung leider zu groß bzw. zu teuer.

Manchmal ist man als Betroffene/r noch froh und dankbar diese Probleme nicht auch noch zu haben…

Wenn man sich umhört gibt es immer auch andere die es noch schlimmer getroffen hat. Und dann erst erkennt man, dass man selbst, trotzallem, noch okay ist oder es einem sogar besser geht im Vergleich. Es hilft einem sehr aus seinem Opfer-Drehkreisel herauszutreten indem man sich auch für die Schicksale anderer interessiert. Vielen ergeht es ähnlich und gegenseitig kann man sich wieder Kraft oder Anregungen geben.

Darum mache ich auch diese Blogarbeit. Vieles was ich erlebt habe, gebe ich als Information oder Impuls weiter in der Hoffnung, dass andere damit etwas anfangen können. Im besten Fall bewahrt es sie rechtzeitig vor Schlimmerem oder schenkt etwas mehr Klarheit und Orientierung.

Mein Appell:

Schließ dich nicht ein zuhause, sondern rede darüber mit anderen Menschen egal welches Problem dich gerade zur Verzweiflung bringt!

Beim Einkaufen, beim Frisör, an der Tankstelle, beim Bäcker…egal wo, egal mit wem. Du wirst erstaunt sein, wieviele Mitmenschen mit ähnlichen und schlimmeren Problemen zu kämpfen haben oder hatten. Deren Geschichten werden dich aufrütteln können. Vielleicht empfindest du danach mehr Kraft und erhältst dadurch Ansporn oder Tipps „deine Herausforderung“ irgendwie weiter zu meistern. Helfende und zuhörende Mitmenschen kannst du immer finden!

Komm aus deiner Blase heraus! Wenn du aufhörst zu denken, nur dir alleine ginge es so furchtbar schlecht, ist das der erste Schritt zu einem neuen Umgang mit der eigenen Verzweiflung.

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