“Ich bin ja so ein Depp!” ist keine schöne Beschreibung von sich selbst – auch wenn der Satz eventuell noch mit einem Lächeln einhergeht. Ein Buchhalter, mit dem ich eine zeitlang zusammen arbeitete in einem Job, reagierte da viel geschickter: “Ich bin ja ein Spezialist!” rief er, wenn ihm ein Fehler unterlaufen war. Das hat mir gefallen und war auch für mich ein kleines Aha-Erlebnis. Im Endeffekt wusste er ja, dass es sein Fehler war, aber er betitelt sich deshalb nicht gleich als Depp – sondern er war nach wie vor ein “Spezialist” 😉 Und einzigartig noch dazu.
Ich bin meine härteste Kritikerin- das war ich nicht immer. Meine Aufgabe ist es daher, mehr Mitgefühl und Milde mir selbst gegenüber aufzubringen im Laufe meiner Erwachsenenzeit.
Weil meine impulsive Art schon als Auszubildende auf mißbilligende Blicke stieß, merkte ich schnell, dass ich scheinbar überall an eckte. Es mag an meinen roten Haaren liegen, meinen italienischen Wurzeln, dass ich nicht wirklich in die deutsche Mentalität passe. Vielleicht hatte man vor 30 Jahren auch noch ein anderes Frauenbild – ja, ganz bestimmt war das so. Als Mädchen oder junge Frau, hatte man noch nicht so viel zu sagen gehabt und wurde schnell mit Sprüchen zum Schweigen gebracht. Sollte man etwas zu forsch, aufmüpfig, frech oder mutig gewesen sein als junge Frau, hieß es gleich unfreundlich oder frivol daher zu kommen. Weil diese Konflikte mir nur im beruflichen Weg standen, musste ich mich gegen meine Natur stellen, mich anpassen um in den vorgegebenen Rahmen einer deutschen, jungen Arbeitnehmerin zu passen.
Ich vermute, dass ich dort auch meine Art der “Selbstjustiz” begann und ich mich auch oft für meine “Fehler” selbst hasste. Wenn viele Leute so von einem denken und reden, muss etwas Wahres dran sein. Irgendetwas ist falsch bei mir, denn ich bin nicht so wie die anderen Mädchen und Frauen. Das war meine Schlussfolgerung daraus.
Das ist nun lange her, dennoch ärgere ich mich immer noch, wenn ich etwas nicht gut genug gemacht habe oder eine vermeintlich falsche Entscheidung getroffen habe. “Das hättest du doch wissen können!” “Du hättest noch mehr Fragen stellen/ mehr Informationen einholen sollen/ besser aufpassen/ mehr austesten müssen…..” usw.
Mittlerweile würde ich sagen, ich war damals der Zeit einfach nur etwas voraus. Denn später nannte man solche Frauen: Karrierefrauen. Taff, mutig und willensstark stehen sie ihren Mann. Tja, so ändern sich die Zeiten. Wobei ich nie von mir behaupten würde, besonders mutig und taff zu sein. Das Selbstbild gehört eben auch noch etwas poliert 🙂
“Wer weiß, wozu es gut ist”
Diese Worte schwingen in mir immer noch nach. Ich hörte sie in dem kürzlich eingestellten Video mit Nicole Staudinger. Als Krebspatientin solchen Satz über den Mund zu bekommen, ist schon eine starke Geste. Noch hilfreicher wäre es sicherlich, die Antwort darauf gefunden zu haben.
Und als ich die Tage meinen Wandplaner zurück an den Nagel hängen wollte, stieß ich punktgenau mit dem wunden Zeigefinger auf den Nagel! Genau in die bereits schmerzende Wunde! Ich erwischte mich, wie mir sofort ein Gedanke durch den Kopf schoss: “Das gibt’s doch nicht! Wie blöd muss man sein?!”
Eine unfreundliche Art von mir zu denken! Aber genau dieser Hang zum Perfektionismus prägte mich eben viele Jahre des Berufslebens, und nur damit brachte ich gute Erfolge zustande. Denn so wie ich eigentlich bin, konnte schließlich kaum jemand etwas anfangen mit mir hier in Deutschland.
Den zusätzlichen Wundschmerz drückte ich also tapfer weg. Besonders wenn man wütend ist, gelingt das ja ziemlich gut. Aber dann erkannte ich etwas Neues: Wer weiß, wozu es gut ist – war ein anderer Gedanke, der folgte. Und ich wollte gerade innerlich noch zorniger werden über selbigen, drückte dabei meine schmerzende Fingerkuppe an der offenen Stelle. Es trat Wundsekret aus und ich verstand sofort, dass dadurch die Schwellung und Hitze entstanden ist. Also widmete ich mich der Wunde und wartete bis das Blut heraus kam. Das ist ein gutes Zeichen.
Dann wurde ich milder mit mir selbst und fragte mich, ob es denn wirklich Blödheit und Dummheit von mir war, dass mich der Wandnagel genau in diese Wunde piekste.
Und in meinem Fall bekam ich sofort die Antwort präsentiert. Anschaulicher konnte man es mir gar nicht erklären.
Das Wundsekret konnte von selbst nicht heraus kommen, die Haut darüber war schon zu fest geworden. Na, dann wurde wohl gerade etwas ‘nachgeholfen’. Das ist jetzt schon etwas verrückt zu denken, oder? Aber diesen Schluss zog ich tatsächlich.
Du könntest dich also über deine vermeintliche Ungeschicklichkeit ärgern und mit dir schimpfen, dich klein und dumm halten. Du könntest aber auch zu dir einmal mehr sagen: Wer weiß, wozu es gut war! Wow, das wäre eine starke Geste mir selbst gegenüber, befand ich. Und dieser Gedanke, so schmerzvoll er auch sein mag, baute mich gerade wieder auf.
Learning by doing!
Ich gehe nun vorsichtiger mit Anschuldigungen mir gegenüber um, wenn mal wieder etwas nicht so läuft, wie ich es geplant hatte. Auch wenn dabei, Zeit, Geld und Energie scheinbar umsonst investiert wurde! Ich weiß nicht, warum es nicht sein sollte – aber es hatte sicherlich eine Bedeutung.
Sich Vorwürfe zu machen, senkt die eigene Schwingung
Und ich bin mir sicher, dass diese Art mit sich umzugehen unserer Kindheit geschuldet ist. Nur in dieser Phase hören wir andauernd Anschuldigungen und Vorwürfe. Wir werden runtergeputzt vom Lehrer oder anderen “Erwachsenen”, die einen immerzu belehren und korrigieren mussten. Nichts konnte man ihnen recht machen, sie wussten alles besser. Das zeigt dem Kind doch lediglich: So, wie du denkst und es machst, ist es nicht richtig!
Wohl dem, der diese Hürde der Kindheit schon genommen hat und über den Dingen steht – egal welches neue Hindernis sich da gerade vor ihm aufbaut!
Ich muss lernen, mit selbst kreierten Hindernissen und Herausforderungen im Leben freundlicher umzugehen.
Sie als Teil des Ganzen zu sehen – nicht als Gegner, die mir das Leben extra schwer machen wollen. Und dabei bedanke ich mich auch bei Nicole Staudinger, die in ihren Video’s so eindrücklich und verständnisvoll für die Rolle der Frau spricht! Das tat wirklich gut, und damit erreicht sie sicherlich tausende von Frauen, die ähnlich empfinden. Auch wenn sie, meiner Meinung nach, noch zur schlafenden Menge gehört und die Dinge sehr einfältig, weltlich sieht.
Ich bewundere alle Menschen, die sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und unerschrocken und mit einem lockeren Spruch vor den Windmühlen des Lebens stehen!