Eine Frau unter der Brücke

Schon ein paar Mal fuhr ich an ihr vorbei.
Konnte nicht glauben, dass dort im Dreck wirklich eine ältere Frau lebt.

Im Schlafsack auf dem Boden, mitten im Berufsverkehr zwischen den Fahrbahnen.
Umgeben von Beton, unglaublichen Lärm und Gestank von Auspuffgasen.

Wie kann man sich das freiwillig antun? Warum? Ich wollte es von ihr selbst wissen.

So ging ich zu ihr und sah in freundliche Augen…ein gutes Herz? Ich empfand es so.
Sie erzählte mir einiges, anderes wollte sie nicht genauer erklären. Unzählige Tiefschläge waren es.

Plötzlich kam Wut und Aggression in ihr auf als es um Religion und Politik ging, ihr handycap zeigte sich.
Die Augen zeigten den gewissen Glanz der Dunkelheit und Psychose. Ihre zweite Seite.

Ich blieb ruhig, auf Distanz…verstand nun besser was ihr Problem mit Behörden und der Polizei ist.
Diese Wut machte sie nicht mehr gesellschaftsfähig.

Versuchte den Fokus immer wieder auf sie selbst zu richten. Es gefällt mir gar nicht, dass sie hier liegen – sagte ich.

Gekonnt wich sie ihrem eigenen Schicksal immer wieder aus. Mit Kraftausdrücken gegen Kirche und Vatikan.

Das interessiert mich aber gar nicht, ich bin doch wegen IHNEN hier, sagte ich. Was kann ich Ihnen denn Gutes tun?

Nichts…wirklich nichts?

Ich sah auf eine große, vollgestopfte Plastiktasche, sah eine Plastikflasche und zwei geschenkte Äpfel. Zwei dreckige Waschlappen hingen am Bauzaun hinter ihr.

Sie habe alles. Es fehle ihr nicht an Essen. Sie brauche auch nicht viel. Ihre Augen waren klar und wach. Sie trinke keinen Alkohol.

Manchmal werfen vorbeifahrende Autos Münzen aus dem Fenster in ihre Richtung, sagte sie und hob gerade eine 2-EUR-Münze neben sich auf.

Eine Frau bringt regelmäßig selbstgemachte Spätzle vorbei, erzählte sie. Der vertraue sie, die kenne sie.

Eine andere Frau habe ihr auch schon mal Wäsche gewaschen. Die Wäsche wollte sie mir aber lieber nicht mitgeben, da wäre Unterwäsche dabei. Das müsse sie im Waschsalon erledigen. Die wollen mittlerweile pro Waschgang 8 EUR! lamentierte sie.

Es fiel ihr dann doch noch etwas ein: Kaffeepulver. Das könnte sie wieder brauchen, es ist fast alle.

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Eine Frau lebt mitten im Zentrum des Verkehrs unter der Brücke, mitten in Würzburg. Mit einem Lächeln im Gesicht.

Im Stich gelassen von den Behörden, weil sie noch einen eigenen Willen hat und gerne aggressiv reagiert, wenn das falsche Thema kommt. Welcher Obdachlose hat schon kein schweres Päckchen zu tragen oder eine angeknackte Psyche, frage ich mich.

Im Gestank und Lärm, um sich herum Tausende LKW’s und PKW’s, die Tag und Nacht an ihr vorbei fahren. Ich konnte einfach nicht wegsehen – als Frau. Von Frau zu Frau.

In einer Zeit, in der ausländische Flüchtlinge alles geschenkt bekommen von unserem Staat – egal welche persönliche Vorgeschichte sie mitbringen. Egal wer sie waren vorher und was sie taten in ihrem Land. Danach wird erst gar nicht gefragt.

Diese ehemalige Gastronomin hat ihren Besitz verloren und ihre vier Kinder wünschen ihr den Tod.

Gerade gestern hörte ich in den Medien von der aktuellen Statistik über Wohnungslose in Deutschland. 178.000 Menschen wurden zuletzt registriert – in den Notunterkünften und Einrichtungen. Die, die auf der Straße leben, sind nicht dabei.

Das einzige was ich für sie machen konnte, neben dem Päckchen Kaffee und Geld, war, eine Anzeige zu schalten und auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Denn sie wünscht sich einfach nur eine eigene Wohnung, ein Zimmer. Eine Arbeit kann sie sich dann selbst suchen, sie finde schon etwas.

Vielleicht darf sie nach Jahren auf der Straße, diesen Winter in eigenen 4 Wänden wohnen?
Vielleicht liest ein Bürger dieser Stadt nicht nur meine Anzeige, sondern möchte auch unbürokratisch helfen?

Vielleicht ist das aber auch einfach ihr Schicksal dort zu bleiben. Eines von Hunderttausenden in Deutschland.

Es war ein Versuch und ein geringer Aufwand für mich.

Aber mit einem großen Effekt für eine Frau, die unter der Brücke lebt.

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