Noch nie musste / konnte ich den deutschen Arbeitsmarkt über einen so immens langen Zeitraum kontinuierlich “beobachten”. Den Eskalationsstufen bin ich quasi auf Schritt und Tritt gefolgt und hörte heute, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften gesunken sei. Deutschland sei wieder bei einer durchschnittlichen Quote von 6 % Arbeitslosen angekommen – saisonbedingt natürlich nur.
Dafür lässt sich seit Mitte 2023 ein starker Abwärtstrend in Erreichbarkeit und Service von öffentlichen Stellen feststellen. Die Arbeitsagentur hat schon letztes Jahr deren Homepage und den Schriftverkehr angepasst. Wie selbstverständlich erscheint dort alles sowohl in ukrainischer als auch in russischer Sprache. Auch die Software musste wohl aufgestockt werden aufgrund der angespannten Lage, Personalmangel etc etc. Die Warteschleife hakt, stockt und bricht ab – nach 15 Minuten Wartezeit wird der Anrufer einfach rausgeschmissen. “Bitte versuchen Sie es zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal.” heißt es freundlicherweise kurz zuvor.
Die neue Software-Technik hat so ihre Tücken, was auch die Berater täglich am eigenen Leib erleben. Mein Berater bekam z.B. nur einen befristeten Arbeitsvertrag – ich habe keine Ahnung, welchen Beruf er ursprünglich ausgeübt hatte. Es wird einfach gerade alles genommen, was günstig zu bekommen ist, ist mein Eindruck.
Beim Jobcenter sieht es vermutlich noch schlimmer aus, da rollt schon länger eine Megawelle an Bürgergeld-Anträgen durch. Die Kostenexplosion durch Bürgergeldempfänger überraschte scheinbar sogar die Politik. Bis Juli 2024 bekamen durchschnittlich rund 4,01 Millionen erwerbsfähige Personen Bürgergeld, sagt die Statistik. Davon wären rund die Hälfte ehemals Geflüchtete. Also sooo überraschend kann es für alle dann doch nicht gekommen sein, oder?
Oder ist der Peak etwa schon überschritten worden?
Die Pleitewelle rollt weiter durch das Land, alleine in 2023 seien etwa 176.000 Unternehmen pleite gegangen. Sie gingen nicht in die Insolvenz, sie hörten nur auf zu produzieren…oder so ähnlich. Auch dies keine eigentliche Überraschung, lief doch die Ausnahmeregelung aus, die insolvente Unternehmer noch über die Lockdown- und Coronazeit bringen sollte. Eine staatlich genehmigte Insolvenzverschleppung quasi, die sich nun in der Realität widerspiegelt.
Lebensmittelregal wieder leerer
Mineralwasser ist wieder nicht lieferbar – eben wie jedes Jahr, meinte der Mitarbeiter etwas gelangweilt. Vor 2 Jahren wären die Hamster wieder einkaufen gegangen, warnte man da noch deutlich vor Lieferkettenengpässen. Heute können es keine Hamstereinkäufe mehr sein, ein zu heißer, trockener Sommer auch nicht aber vielleicht ist eben doch das Klima schuld? Denn auch in 2024 wundert man sich beim Einkaufen schon wieder über einige Regale in Drogerie oder Supermarkt, die leerer sind als üblich. Wobei ich hier eher auf Personalmangel (Stichwort Urlaubszeit) tippe als auf Lebensmittelknappheit oder Lieferschwierigkeiten.
Bei einer großen Supermarktkette sah ich heute zum ersten Mal asiatische Regalauffüller/innen. Ich schätze es waren Koreaner. Sie arbeiteten zu zweit und guckten schüchtern – vermutlich verstehen sie nicht mal unsere Sprache. Auch die Paketzusteller und Postboten in meinem Dorf sprechen alles andere, nur kein Deutsch. Die Namen an den Briefkästen zu erkennen übersteigt deren alphabetische Fähigkeiten. Mittlerweile sind wir es gewöhnt, dass regelmäßig der Nachbar vor der Tür steht um die falsch eingeworfene Post selbst “zuzustellen” bzw. wir bei ihm.
Letztes Jahr begann bei unserem öffentlichen Nahverkehr eine Krankheitswelle, die kein Ende nehmen wollte. (Hört man ja öfters mal seit der Massen-Schutzimpfung gegen das tödliche Virus…) So hieß es 2023 in meiner Stadt, dass Linien komplett ausfallen würden über mehrere Wochen und man sich selbst vorher erkundigen sollte wo, wann, was fährt. Und auch dieses Jahr im Juni titelt man:
ÖPNV: Personalmangel zwingt zu Angebotseinschränkungen. Die deutschen Verkehrsunternehmen leiden unter Personalmangel, wie eine Umfrage des VDV zeigt. Die Situation dürfte sich noch verschärfen.
Quelle: https://www.omnibusrevue.de/nachrichten/management/oepnv-personalmangel-zwingt-zu-angebotseinschraenkungen-3521785
Und wieder erscheint diese ambivalente Situation – zu viele Arbeitslose bei gleichzeitig fehlendem (Fach-)Personal.
(Ich berichtete 2022 ausführlicher darüber)
Von all den anderen Brandherden, miesen Prognosen und beängstigenden Wirtschaftsnews ganz zu schweigen. Es sieht so aus, als steuerten wir direkt in eine Depression. Ja, vielleicht sind wir dort bereits gestrandet – nur keiner sagt uns das ganz offiziell.
Stattdessen lese ich Mitte Juli ganz erstaunt folgendes aus unserer Region:
Mainfranken: Menschen haben mehr Geld zum Ausgeben
Auszug:
…..Knapp 28.000 Euro haben die Menschen in Mainfranken im Schnitt in diesem Jahr zum Ausgeben zur Verfügung. Das sind 750 Euro mehr als im Vorjahr – und auch mehr Geld als vor der Coronakrise. Die Zahlen hat die IHK Würzburg-Schweinfurt jetzt bei einer aktuellen Analyse vorgelegt.
….
Trotz der positiven Zahlen ist die IHK aber nicht ganz zufrieden: Die Menschen in Mainfranken haben zwar mehr Geld zum Ausgeben im Portemonnaie. Die Lust, das Geld auch tatsächlich auszugeben, steigt nur langsam, und das trotz geringerer Inflation und höherer Tarifabschlüsse.
Quelle: https://www.radiogong.com/aktuelles/news/mainfranken-menschen-haben-mehr-geld-zum-ausgeben
Macht man uns hier etwas vor? Verkauft man uns für dumm oder ist alles in Wahrheit doch gar nicht so schlimm?
Die prognostizierte Bankenpleite hat zumindest noch nicht um sich geschlagen und auch der Euro hält sich wacker.
Natürlich ist es regional und auch national ganz unterschiedlich verteilt – das gute Geld und die Spendierfreude der Bürger. Und tatsächlich könnte man nicht von einem depressiven Deutschland ausgehen, wenn man bei Sommerwetter durch die Städte schlendert. Die Cafe`s und Biergärten gefüllt, gut gelaunte shoppende Menschen, Eis-essende Kinder – alles wie immer, oder?
Ja, vielleicht stimmt auch diese Realität!
Es existiert beides parallel und mal erleben wir die verheerende Version, mal die erfreulichere. Aber was wir wohl alle sagen können ist, dass wir immer leichter oder schneller aus einer eher verfahrenen Situation hinaus kommen. Wenn mal etwas schief läuft, dann finden wir ungewöhnlich rasch Hilfe im Außen oder etwas Schönes passiert gleich noch am selben Tag. Oder ….ich bekomme schon nach dem 3. Versuch eine nette Service-Dame von der AA zu sprechen, die innerhalb von Minuten alles für mich managed. 😉 Ja, es gibt sie noch – diese erfreulichen Lücken im maroden und bröckelnden System! Menschen, die alles weiterhin am Laufen und aufrecht halten durch ihren täglichen Einsatz.
Arbeitende Menschen, die dafür sorgen, dass unser tägliches Leben noch fast wie gewöhnlich abläuft.
Es sind jene, die immer noch gut und gerne ihrer Arbeit nachgehen, auch oder gerade wegen der düsteren Aussichten am ‘Wirtschaftsstandort Deutschland”. Und ja es gibt sie noch, junge und motivierte Unternehmer, die vor Plänen und Arbeitswut strotzen und alles für eine blühende Zukunft in diesem Land geben. Gerade gestern hatte ich so einen vor meiner Nase sitzen und war amüsiert und gleichzeitig irritiert über diesen Optimismus und den offensichtlichen Erfolgskurs, den diese Firma seit insbesondere 2024 fährt.
Es ist also wichtig zu realisieren, dass es IMMER zwei Seiten einer Medaille gibt. Wenn es die eine Seite gibt, dann auch immer die andere! Guck dich nächstes Mal ganz frech um, wenn es dir “zu bunt” wird auf der miesen Seite des Lebens. Du wirst vielleicht überrascht sein, wie schnell sich das Blatt wenden kann und du dich ganz plötzlich auf der zweiten Seite der Medaille wieder findest.